Hinein ins Winterwatt

In Westerdeichstrich, nur einen Katzensprung vom Nordseebad Büsum entfernt, startet die Tour durchs Winterwatt. „Flora und Fauna sind jetzt zwar nicht so üppig, aber die Vogelwelt können wir prima beobachten“, freut sich der Nationalparkwattführer, als wir an der Badestelle Stinteck über den Deich zum Watt hinuntergehen. Sanftes Meeresplätschern und der gurgelnd krächzende Ruf eines Kormorans „rärärä“ begrüßen uns. Am Himmel kreischen die Möwen, die frische Luft duftet herrlich nach Salz und Meer. Einmal tief durchatmen, den Blick über die unendliche Weite des Wattenmeeres gleiten lassen und los geht’s. 

Autorin: Silke Bromm-Krieger

Faszinierende Vogelwelt

Da! Franzen zeigt auf eine Gruppe Austernfischer, die auf den „Lahnungen“ eine Rast eingelegt hat. „Lahnungen sind doppelte Holzpflockreihen, die mit Strauchwerk gefüllt sind. Sie werden im Uferbereich des Meeres gebaut und dienen als Deichfußsicherung, sammeln die Sedimente jeder Flutzeit und bilden nach und nach Salzwiesen“, erklärt er. Weil gerade ablaufendes Wasser ist, suchen einige Austernfischer am Wassersaum nach Muscheln. Sie sind standorttreu und verlassen nur in extrem eisigen Wintern die Nordsee. Leise pirschen wir uns an die Watvögel im schwarzweißen Federkleid heran. „Etwa 30 Meter können wir uns nähern, dann fliegen sie weg“, prophezeit Franzen und behält recht. Sobald die Halligstörche, wie sie im Volksmund genannt werden, uns entdecken, sind sie auf und davon. Ihr „Widiwidiwidi“, das manchmal durch ein fröhliches Trillern abgelöst wird, klingt aus der Ferne wie eine feine Melodie.

Wattwurm im Winterschlaf

Eher zufällig schauen wir auf den vom Wellengang ebenmäßig geriffelten Wattboden. „Soll ich versuchen, einen Wattwurm zu finden?“, fragt der Wattführer. Hierfür hat er schließlich seine Forke mitgebracht. „Wenn es kälter wird, zieht sich der Wattwurm bis zu 30 Zentimeter unter die Wattoberfläche zurück oder wandert in die Priele hinein“, erläutert er. Deshalb fällt selbst nach eifrigem Graben die heutige Ausbeute mager aus. Nur zwei mickrig kleine Exemplare verirren sich ans Tageslicht. Auffallend ist, dass die Wasserflächen im Watt sehr klar sind. Das liegt daran, dass es im Winter weniger Algen, Bakterien und Plankton gibt und damit weniger Trübstoffe. Was im Winter noch anders ist als im Sommer? Da muss Franzen nicht lange überlegen. „Die Seehunde verlassen ihre Stammplätze an den Sandbänken der Küste und tauchen monatelang in tiefere Gefilde ab, wo sie etwas zu fressen finden. Unzählige Zugvögel sammeln sich und treten ihre Reise gen Süden an. Möwen, Graugänse und Nonnengänse hingegen bleiben größtenteils in heimischen Gefilden. Nur wenn es sehr kalt wird, fliegen sie an die holländische Küste“, weiß der gebürtige Eiderstedter.

UNESCO-Weltnaturerbe

Die Salzwiesen am Deich dienen den Vögeln als Lande- und Rastplatz auf dem Weg in ihre Brut- oder Überwinterungsgebiete. Nirgendwo sonst in Europa gibt es so viele Vögel wie im Wattenmeer, das seit 2009 UNESCO-Weltnaturerbe ist. Der Nationalpark Wattenmeer ist ein wahres Eldorado für die Vogelwelt. Etwa zwölf Millionen Vögel verschiedenster Arten passieren dieses Gebiet. Die zauberhafte Schönheit des Winterwatts mit seinen imposanten Sonnenuntergängen haben mittlerweile immer mehr Urlauber für sich entdeckt. „An Weihnachten und zum Jahreswechsel gibt es viele Gäste in unserer Region, die gern ins Watt gehen. Es gibt ja bekanntlich kein schlechtes Wetter, sondern nur unpassende Kleidung“, meint Franzen.

Stille genießen

An der Nordseeküste hat man sich auf Urlauber außerhalb der Hochsaison bestens eingestellt. So bietet die Schutzstation Wattenmeer in Büsum im Herbst und Winter „Wattwanderungen der Stille“ an. Nach einer Einführung durch den Wattführer wird die Hälfte der bis zu 90-minütigen Touren schweigend zurückgelegt. „Die Teilnehmer können so das Watt mit allen Sinnen genießen und dabei wunderbar zur Ruhe kommen“, stellt Bundesfreiwilligendienstlerin Charlotte Braunreuther heraus.

Franzen hat „Wattführungen mit Muße“ und von Januar bis März „Grünkohlwattwanderungen“ im Programm. Nach den Ausflügen erwartet die Teilnehmer dann zur Stärkung eine Grünkohlplatte am lodernden Kaminfeuer. Ebenfalls gibt es geführte Wanderungen, bei denen Menschen mit Behinderung das Watt in speziellen Wattrollstühlen erkunden können. Diese stehen vielerorts zum Ausleihen bereit. Während wir uns langsam auf den Rückweg machen, erzählt Franzen noch, dass er seine letzte Führung in diesem Jahr am Silvestervormittag von Büsum aus unternehmen wird. „Wenn wir nach zwei Stunden wieder da sind, freue ich mich schon auf einen schönen, heißen Eiergrog“, verrät er schmunzelnd.

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