„Ein wichtiger Schritt in die Zukunft unseres Berufs“

Interview mit Gerd Klinz

Klinz ist Geschäftsführer des Sanitätshauses Klinz in Bernburg mit zehn Filialen in neun Städten. Von Anfang an lag sein Fokus auf der handwerklichen Ausprägung der individuellenHerstellung und Anpassung unterschiedlicher Hilfsmittel. Nun hat er den Schritt darüber hinaus gewagt und verzahnt in seinem Unternehmen klassisches Handwerk mit hoch entwickelter digitaler Technik. Das SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN sprach mit ihm.

Autor: Christian Sujata

SAM: Herr Klinz, seit wann ist der digitale 3D-Druck für Sie ein Thema?

© Sanitätshaus Klinz GmbH

Gerd Klinz: Die Themen Digitalisierung und speziell den 3D-Druck verfolgen wir schon seit vielen Jahren intensiv. Vor eineinhalb Jahren hatten wir nun das große Glück, eine junge Designerin aus dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Industriedesign von der Hochschule Magdeburg-Stendal bei ihrer Masterarbeit zu begleiten. Thema der Arbeit war: Einführung des 3D-Drucks als Standard in die Orthopädietechnik. Danach hat sie acht Monate lang bei uns recherchiert, Grundlagenforschung betrieben sowie ihre Masterarbeit geschrieben und diese schließlich mit der Bestnote 1,0 bestanden. Ich war mit in der Prüfung. Professor Hagen Kluge sagte damals zu mir, dass er wirklich überhaupt nichts an dieser Arbeit bemängeln könne und fragte mich: „Sie wissen aber schon, was das, was heute hier passiert ist, für Ihre Branche bedeutet?“ Und genau das war es, was ich herauskriegen wollte: die Veränderung in unserem System! Und deshalb stellte ich die junge Dame, ohne zu zögern, auch direkt bei uns ein.

SAM: Sie haben die Absolventin tatsächlich direkt unter Vertrag genommen?

Gerd Klinz: Ja, allerdings so ganz „direkt“ klappte das mit der Arbeit bei uns nicht, da sie nach dem Studium zunächst für ein Jahr nach Neuseeland, also ans andere Ende der Welt ging. Im Mai dieses Jahres ist sie zurückgekehrt und hat wie abgesprochen bei uns angefangen und lückenlos das umgesetzt, womit sie sich während ihrer Masterarbeit beschäftigt hat. Als wir uns somit den 3D-Druck und dessen Weiterentwicklung auf die Agenda geschrieben haben, galt es zunächst, die Hemmschwelle meiner Mitarbeiter gegenüber dieser Thematik abzubauen. Die Angst vor dem Neuen, die mir als immerhin 60-Jährigen völlig fehlte, war zunächst groß.

SAM: Warum hatten Sie selbst keine Angst?

Gerd Klinz: Wir sind ein sehr handwerklich geprägtes Unternehmen mit allein 25 Mitarbeitern in der Orthopädiewerkstatt. Unsere Beobachtungen der Entwicklung des 3D-Drucks hatten mich überzeugt, dass wenn sich diese Technik durchsetzt und wir den Zug verpassen, bekommen wir immense Probleme. Bis jetzt hatten wir nichts verpasst, da bisher nur an Prototypen getestet und gewerkelt wurde, ohne dass diese in einem richtigen Produktionsablauf eingesetzt wurden. Für mich war es also wichtig, diesen immens wichtigen Schritt in die Zukunft unseres Berufes zu machen. Und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt sofort!

SAM: Welche verbesserte Versorgung kam Ihnen dabei zuerst in den Sinn?

Gerd Klinz: Schlaganfall ist eine der größten Krankheiten, mit denen wir zu tun haben. Ich habe festgestellt, dass Schlaganfallpatienten in weiten Bereichen exzellent versorgt werden können. Beispielsweise machen wir bei den Füßen alles, von Maßorthesen bis zu Konfektionsorthesen. Der Bereich, den meine Mitarbeiter dagegen nicht bearbeiten konnten, waren die Hände. Ganz einfach aus dem Grund, weil Hände zu kompliziert und komplex sind, um dafür etwas Individuelles herzustellen. Auf herkömmliche Weise müssen Sie zunächst einen Gipsabdruck der Hände machen, dann muss der Gips modelliert werden, anschließend müssen Sie Bewegungselemente erstellen, denn die Finger- und Handgelenkelemente müssen schließlich dynamisch sein. Dann stehen Sie schließlich vor dem Problem, dass Sie die Kontrakturen nicht aufbekommen. Diese Problematik hat mich schon immer geärgert. Deshalb war genau dort für mich der Ansatz, dies mit der neuen Technik endlich entsprechend umsetzen können.

Wichtig war es zunächst mal, die richtigen Programme zu bekommen, die mir bei den Fragen helfen: Mit welcher Software kann ich was modellieren? Wie kann ich anatomische Achsen verändern? Was ist technisch überhaupt für uns möglich? Wir haben uns alle Programme ausführlich vorführen lassen und für uns das herausgefiltert, womit wir am besten arbeiten können. Es ist zwar eines der teuersten und komplexesten geworden, aber dafür auch eines, mit dem wir das umsetzen und verändern können, was wir im Sinn hatten. Mithilfe eines Scanners können wir jetzt Modelle erstellen und uns an die Konstruktion der Hilfsmittel herantasten. Anschließend muss ich mir anhand des virtuellen Modells Gedanken machen, welche Option ich wähle: Reicht es mir vielleicht, wenn ich mir das Modell fräsen lasse und somit ab diesem Punkt mit unserer herkömmlichen Technologie weitermache? Oder lasse ich das Werkstück direkt drucken? Bei letzterer Option werden die Daten der virtuell von uns erstellten Hilfsmittel dann an eine Firma gesandt, die auf den 3D-Druck professionalisiert ist und uns die Hilfsmittel anhand unserer Daten erstellt. Seit Mai versorgen wir so nun Patienten mit gedruckten Orthesen. Mein Ziel ist es übrigens, spätestens in ein oder zwei Jahren komplett gipsfrei zu arbeiten.

SAM: Kann man sagen, dass Sie mit der neuen Technik, die ja auch fachmännisch bedient werden muss, einen komplett neuartigen Berufszweig in Ihrer Branche geschaffen haben?

Gerd Klinz: Das kann man sagen. Bei uns ist für die neue Technik natürlich die junge Industriedesignerin zuständig. Während unsere Orthopädietechniker die Anatomie
und Orthopädie perfekt verstehen, beherrscht sie das neue technische System. In der Kombination schaffen wir so das perfekte Hilfsmittel.

SAM: Seit einem halben Jahr versorgen Sie Patienten mit gedruckten Orthesen. Wie fällt Ihr Fazit bisher aus?

Gerd Klinz: Durchweg positiv. Würde man mit der neuen Technik die gleichen Hilfsmittel herstellen wie bisher, nur eben gedruckt, wäre es uninteressant für mich. Aber man kann jetzt viel mehr machen und viel flexibler reagieren. Beispielsweise sind wir nun auch dabei, Gelenkkonstruktionen zu erstellen. Ein Mitarbeiter von mir hat kürzlich den allerersten gedruckten myoelektrischen Arm, bei dem die Kabelkanäle im Schaft verlaufen, bei der OTWorld in Leipzig vorgestellt. Diese ganze Entwicklung finde ich ungemein spannend und ich bin überzeugt davon, dass wir dank dieser Technik unsere Patienten jetzt noch viel besser sowie vor allem individueller versorgen können.

SAM: Herzlichen Dank!

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